Nonprofit Marketing der Zukunft: Sind Spendenaufrufe per Post im digitalen Zeitalter noch zielführend? Welche Möglichkeiten für eine intensive Spender-Beziehung eröffnen sich durch die Digitalisierung und wie lassen sich Social Media Plattformen für die Kommunikation mit Spendern einsetzen? Kann man die Vokabeln und Konzepte des modernen Marketings aus dem kommerziellen Bereich gewinnbringend für Spender und Organisationen, Stiftungen und NGOs übersetzen?
Diesen und weiteren Fragestellungen widmeten sich Masterstudierende der Hochschule der Medien unter der Leitung von Professor Harald Eichsteller in der Studie Nonprofit-Marketing 2020. Das Masterteam der Studiengänge Medienmanagement und Unternehmenskommunikation hat in 13 Gruppen das Themenfeld im Masterseminar CRM/Social Media untersucht und die Ergebnisse zusammengetragen. Maria Furtwängler, Gründerin der MaLisa Stiftung und Ärztin bei German Doctors, unterstützte das Studienprojekt.
Maria Furtwängler: „Die vielfältigen Erkenntnisse der Studierenden machen dieses Buch zu einem wertvollen Ratgeber.“
„Durch meine Arbeit im Rahmen der MaLisa Stiftung und German Doctors weiß ich um die unbedingte Wichtigkeit einer intensiven Bindung von Spendern und den damit verbundenen Spendeneinnahmen, ohne die Nonprofit-Organisationen nicht existieren und wirken können.“ schreibt Maria Furtwängler im Vorwort der Publikation.
Von Nonprofit Marketing Ansätzen profitieren
Prof. Harald Eichsteller: „In den letzten Jahren hat sich in vielen Nonprofit-Organisationen in der Kommunikation nicht viel verändert. Wir wollen aufzeigen, wie NGOs vor allem auch digitale Konzepte gelungen einsetzen.“
Die Studie verschafft einen Überblick über die wesentlichen Faktoren, die für erfolgreiches Nonprofit-Marketing in Zeiten der digitalen Transformation entscheidend sind. Dabei wurde der Status Quo der Kommunikation von NGOs auf den unterschiedlichsten Kanälen analysiert und Optimierungspotentiale herausgearbeitet. Beispiel-Cases und Interviews veranschaulichen die gegenwärtigen Herausforderungen und die Relevanz eines ganzheitlichen Channel-Managements. Daraus werden Handlungsempfehlungen für eine langfristige Spendergewinnung und -bindung abgeleitet.
Große NGOs wie PETA und WWF als Studienteilnehmer
Partizipiert an der Studie haben sowohl bekannte NGO’s wie PETA, Lebenshilfe e.V. oder der WWF, aber auch Organisationen, deren Mittel deutlich begrenzter sind, wie zum Beispiel die Stiftung Hänsel und Gretel. Die Organisationen standen in persönlichen Interviews Rede und Antwort oder stellten ihre Kampagnen im Nonprofit Marketing für Analysen zur Verfügung. Zusätzlich wurden Umfragen mit Spendern und potentiellen Spendern durchgeführt, um aktuelle Stimmungsbilder zu identifizieren.
Fehlende Transparenz in Spendenbriefen
Die Studie beinhaltet unter anderem die Interaktion von Spendern mit postalischen Spendenaufrufen und dem beigefügten Informations- und Zusatzmaterial. Grundsätzlich fühlen sich Spender von der postalischen Kommunikation nicht gestört, allerdings werden Spendenbriefe häufig nicht gelesen. Dies kann auf die inhaltliche und formale Gestaltung der Printmaterialien zurückgeführt werden. Bezüglich des Aufbaus und des Inhalts der untersuchten Spendenbriefe bestehen kaum Unterschiede.
Zentrale Elemente sind das Anschreiben, ein Überweisungsträger, der in 93 Prozent der Fälle Bestandteil ist, und eine beiliegende Broschüre der Nonprofit-Organisation. Die Dominanz von Text, der geringe Bildgehalt und insbesondere die mangelnde Transparenz wurden als zentrale Schwachstellen der Spendenbriefe identifiziert. Dreiviertel der untersuchten NGO‘s legen nicht offen, für welche Zwecke die Spendengelder eingesetzt werden. Dabei steigt die Spendenbereitschaft, umso klarer die Verwendungszwecke kommuniziert werden. Zudem legen Spender hohen Wert auf die visuelle Gestaltung der Spendenbriefe und fühlen sich durch verstärkte Spendenaufrufe zur Spende gedrängt. Vielmehr wünschen sich Spender persönliche Geschichten von Betroffenen, die von der Organisation unterstützt werden.
Die Donator Journey – Wie aus Interessenten Spender werden
Wie trägt die digitale Transformation zur Spendenbereitschaft bei und welche Chancen ergeben sich dadurch? Anhand der Untersuchung von Websites und weiteren digitalen Kanälen wurde die ‚Reise des potenziellen Spenders‘ in Analogie zur ‚Reise des Kunden‘ abgebildet und analysiert.
Welche Faktoren im Nonprofit Marketing eine verbesserte Spenderwahrnehmung generieren wurde anhand von Facebook und Twitter, sowie der Webseiten von Unicef, Ein Herz für Kinder und Oxfam untersucht.
Bei der Analyse der Webseite erzielte Unicef als größte Organisation ein sehr gutes Ergebnis. Hinsichtlich der Donator Journey löst die Organisation den Weg zur Spende sehr simpel mit 1-2 Klicks. Diese “kurzen Wege” sind sehr wichtig, um Session-Abbrüche oder Seitenladefehler zu vermeiden. Auch die Zahlungsmöglichkeiten und die Form der Unterstützung sind bei UNICEF am vielfältigsten. Jedoch wurden auch Optimierungspotenziale auf der Website von UNICEF identifiziert.
Bezüglich der CtA (Click Through Rate) schneidet die größte Organisation im Vergleich zu Ein Herz für Kinder und Oxfam schlechter ab. Aus der Webseitenanalyse ergibt sich, dass Nutzern jederzeit die Umleitung auf eine Spendenseite ermöglicht werden sollte. Zudem ist eine kurze Spendenabwicklung mit vielen Zahlungsmöglichkeiten essentiell.
Spenderbindung via Social Media
Die Spendenquote steigt im Alter, 60% aller Spender in Deutschland sind über 65 Jahre alt. Social Media wird für Nonprofit-Organisationen zunehmend relevanter um jüngere Zielgruppe zu erreichen und die Spenderbeziehung frühzeitig aufzubauen. Social Media Strategien, emotionaler Content, Ansprache einer jüngeren Zielgruppe, Umgang mit Kritik in sozialen Netzwerken und die Möglichkeiten der direkten Interaktion mit den Spendern sind die zentralen Aspekte denen sich die Studie im Bereich Social Media widmet.
Der Aufbau zur Spenderbeziehung über Social Media erfolgt in fünf Schritten: (1) Leadgenerierung (2) Informationen an Interessenten und Spender (3) Erstmalige Spende generieren (4) Retargeting (5) Spender zum Dauerspender machen.
Elementar dabei ist es, die Plattformen konstant mit qualitativem Content zu bespielen. Die Social Media Analyse erzielte für die Organisationen UNICEF, Ein Herz für Kinder und Oxfam folgende Erkenntnisse: Es treten erhebliche zeitliche Lücken zwischen den Tweets auf, welche wiederum zu Aufmerksamkeitsverlusten führen. Der Einsatz multimedialer Postings ist ein weiterer wichtiger Punkt, um die User-Aufmerksamkeit zu erhalten. Reiner Text zieht häufig kaum noch Aufmerksamkeit auf sich. Die untersuchten Organisationen haben dies erkannt und verknüpfen Postings mit Bilder oder Videos.
Bezüglich der Inhalte der Postings gelten emotionale Themen als erfolgsversprechend. Dies verdeutlichen die Social Media Strategie von der Lebenshilfe e.V. und die Social Media Kampagne „Neue Nähe“ von Aktion Mensch. Storytelling in Form von authentischen und emotionalen Geschichten von Betroffenen generieren vermehrt Aufmerksamkeit.
Nina Krüger von der Lebenshilfe e.V.: “Was generell sehr gut in Social Media läuft sind emotionale Themen, die gleichzeitig einen Nutzwert haben. Schöne Fotos ziehen immer und irgendwie müssen die Leute mit dem Thema anknüpfen können. Wenn Dinge zu abstrakt sind, dann funktionieren sie auch nicht.”
Snapchat für NGO’s
Die Social Media Plattform Snapchat zeichnet sich durch eine junge User-Gruppe, die sogenannten Millenials, aus. Einzigartig bei Snapchat ist die Vergänglichkeit der Inhalte aber auch das enorme Aufmerksamkeitspotenzial.
Als Best-Practice wurde dazu die “LastSelfie-Kampagne” von WWF, bei welcher Snapchat als Plattform eingesetzt wurde, untersucht. Ziel der Kampagne ist es, das Bewusstsein für bedrohte Tierarten unter den Millenials zu schärfen. Die Studie analysiert die Kampagne und identifiziert 5 wertvolle Tipps, wie Snapchat erfolgsversprechend genutzt werden kann: Zunächst ist das Kennenlernen der jungen Zielgruppe und deren besonderer Ansprüche an Medien und Inhalte entscheidend. Des Weiteren sollte die Botschaft an das Medium angepasst sein. Dabei gilt es, kurz und knapp, kreativ und einzigartig zu kommunizieren. Elementar für das Erzielen des Nutzer-Engagements sind der Einsatz von Bilder und Videos und emotionalen Inhalten. Durch Kombination mit weiteren Kanälen gelingt es, die Snapchat-Kampagne sichtbarer zu machen und die Reichweiten zu erhöhen.
Die gesamten Ergebnisse der Studie „Nonprofit Marketing 2020“ sind ab sofort kostenfrei als PDF verfügbar unter