Sind wir in Deutschland im Vergleich zu den großen internationalen Digitalplayern und disruptiven Innovatoren bzgl. Technologie, Personal und Innovationskultur auf dem richtigen Weg? Prof. Eichsteller und AdAR haben 50 Aufsichtsrätinnen und Aufsichtsräte sowie 10 Expertinnen und Experten gefragt. Die Ergebnisse der Aufsichtsratsstudie Digitale Transformation zeichnen ein Stimmungsbild, wie die Boards sich selbst und die von ihnen betreuten Unternehmen einschätzen.
„Die Digitalisierung ist neben der Aufdeckung von Risiken eine besondere Herausforderung für Aufsichtsräte, geht es doch darum, das Unternehmen strategisch und visionär in die richtige Zukunft zu dirigieren“, sagt der Vorstand des Arbeitskreises deutscher Aufsichtsrat e.V. (AdAR).
Ist genügend Digital-Knowhow in Aufsichtsräten und Vorständen vorhanden und welche Rolle spielt Digitalisierungs-Knowhow im Kompetenzprofil von Aufsichtsräten und Vorständen bei der Neubesetzung? 60 % der Board-Mitglieder haben nach Einschätzung der teilnehmenden Aufsichtsräte der Studie kein Digital-Knowhow, lediglich 18 % haben einen speziellen Digitalisierungshintergrund.
Kompetenzprofil für Aufsichtsräte
„Strategische Zielhorizonte vergangener Zeiten sind oftmals nicht mehr passend – hier ist Agilität auch außerhalb von Softwareprojekten in Management und Board gefragt“, meint Marc Tüngler, der als Vorstand des AdAR und Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz DSW ein Podium zum Thema in Frankfurt moderiert.
Für die Zukunft der Boards haben die Teilnehmer der Studie klare Prioritäten, auf ihrer Kompetenzwunschliste stehen mehr Digitalkompetenz (56 %) , mehr Mitglieder im Alter zwischen 40 und 60 Jahren (41 %) sowie mehr Querdenker ohne Branchen-Knowhow (46 %).
Für klar definierte Kompetenzen setzen sich auch die Aufsichtsratsvereinigungen AdAR, FEA und ArMiD ein und haben im Sommer ein Positionspapier für die systematische Besetzung von Aufsichtsratspositionen publiziert. Im internationalen Vergleich ist in Deutschland eine Zertifizierung von Aufsichtsräten eher gering verbreitet, obwohl die Deutsche Börse AG dieses schon seit fünf Jahren anbietet.
Innovationsmanagement und Informationstechnologie
Die Aufsichtsräte sind insgesamt zurückhaltend mit der vorbehaltlosen Zustimmung, dass es um die verschiedenen Spielarten des Innovationsmanagements in den Unternehmen gut bestellt ist. Lediglich das evolutionäre Innovationsmanagement innerhalb der Units erreicht ei-nen Wert von 42 %, ähnlich wie Forschungskooperationen mit Universitäten und Instituten. Für revolutionäre neue Produkte und Technologien sehen die Boards ihre Unternehmen am schlechtesten aufgestellt, nur 6 % vergeben hier gute Noten.
Für die Digitale Transformation ist man besonders gut gerüstet, wenn die IT-Ausstattung im Vergleich zu den Unternehmen der Branche überdurchschnittlich ist, genügend Fachpersonal an den Standorten verfügbar ist, die Budgets angemessen sind und der Budgetierungsprozess flexibel ist.
In all diesen Punkten verteilen die Aufsichtsräte in den von ihnen betreuten Unternehmen sehr selten gute Noten, überdurchschnittliche IT nur bei 16 % für Forschung und Entwicklung, 13 % für Produktion/Logistik, 7 % für Marketing/Vertrieb und 6 % für Verwaltung.
Digitale Transformation aus Expertensicht
Zusätzlich zu den quantitativen Ergebnissen gibt werden Fachbeiträge und Statements führender Expertinnen und Experten publiziert. Andreas Schwend und weitere Geschäftsführer der diconium Group geben bspw. Einblicke in 20 Jahre Erfahrung mit Digitalisierungsprojekten, Dr. Martin Brudermüller (BASF), Heike Discher (Kresse & Discher), Marcus Gerbershagen (CDO Executive Circle), Christian Jennes (Interfin Forum) sowie Frank Puscher und Prof. Dr. Jürgen Seitz beleuchten spezifische Aspekte auf dem Weg zum digitalen Transformationserfolg.
Dr. Martin Brudermüller erläutert in seinem Beitrag eindrücklich, warum er als Chief Technology Officer der BASF SE in einen Supercomputer investiert. Strategisch sei es wichtig, die enormen Chancen der Digitalisierung entlang der Wertschöpfungsketten zu nutzen und einen Schwerpunkt im Bereich Forschung und Entwicklung zu setzen.
Die Einsatzfelder der Digitalen Transformation in den anderen Funktionalbereichen sind in weniger als der Hälfte der Unternehmen überdurchschnittlich beurteilt:
- Automatisierung, Robotics und Industrie 4.0
in Produktion/Logistik bei 44 %, - Big Data Analysen, Personalisierung, Marketing Automation
in Marketing/Vertrieb bei 25 %, - Papierloses Büro, kollaborative Arbeitsmethoden und Work 4.0 im Bereich Verwaltung/Personal bei 35%.
Personal und Weiterbildung
Nur in jedem vierten Unternehmen stehen den Top-Führungskräften ein für die Digitalstrategie verantwortlicher Vorstand und das Digitalteam für Coachings zur Verfügung. In jedem siebten Unternehmen gibt es ein Cross-Mentoring, wo junge Mitarbeiter aus allen Bereichen die Top-Führungskräfte in Sachen Digitalisierung coachen. Nur 28 % der Aufsichtsräte geben CEO und Vorstand gute und sehr gute Noten für ihre Vorbereitung auf die Digitale Transformation.
„Ein Sollprofil für Digitalkompetenz auf allen Mitarbeiter-ebenen gibt es in keinem einzigen Unternehmen, das von den Studienteilnehmern als Aufsichtsrat betreut wird.“ Ebenso bedenklich findet Prof. Harald Eichsteller, dass nur 3 % das Budget für die Weiterbildung des Personals für die Anforderungen in der Digitalen Transformation für an-gemessen halten.
Kommunikation und Medien
Kommunikation spielt innerhalb des Change-Prozesses eine zentrale Rolle. Veränderungen bedeuten Chancen, aber auch Unsicherheit und Risiken. Kommunikation schafft Vertrauen, gibt Sicherheit und Orientierung. Zuallererst muss die Notwendigkeit zur Digitalen Transformation dringlich gemacht werden, was in 50 % der Unternehmen als positiv wahrgenommen. Die Kommunikation der Erwartungen an die Mitarbeiter und regelmäßige Veranstaltungen zum Themenfeld Digitale Transformation gibt es allerdings nur in weniger als jedem fünften Unternehmen.
Traditionell werden im Corporate Publishing Mitarbeiter- und Kundenzeitschriften eingesetzt, in den letzten Jahren kamen digitale und soziale Medien dazu. Nach Aussage der Aufsichtsräte werden allerdings all diese Kommunikationsansätze nur in weniger als jedem vierten Unternehmen eingesetzt – ein überraschend niedriges Ergebnis: Digitale Medien insgesamt 26 %, Kundenzeitschriften 20 %, Soziale Medien 19 %, Mitarbeitermedien 13 %, Apps 7 %.
Die gesamten Ergebnisse der Studie „Herausforderung Digitale Transformation“ und alle Grafiken stehen ab sofort kostenfrei zum Download zur Verfügung unter www.aufsichtsratsstudie-digitale-transformation.de