23. Oktober 2014 Odeon Theater Wien
RegioPlan Jubiläum – 10. Retail Expertenforum
Ähnlich wie bei der Einführung der Selbstbedienung ruft das Multichannel Zeitalter einen Strukturwandel im Einzelhandel hervor. Vieles wird dabei auf den Kopf gestellt. Was jedoch bleibt, ist dass Menschen nach wie vor von Menschen kaufen wollen.
Veränderungen im Einzelhandel und die Interaktionen zwischen Käufern und Verkäufern als wichtiges Argument für den stationären Shop bestimmten Vorträge und Gespräche.
Prof. Harald Eichsteller begeisterte 200 Zuhörer im Wiener Odeon Theater mit seiner Keynote
>>> zum Download des Vortrags von Prof. Eichsteller
Vor mehr als 60 Jahren hat die Einführung der Selbstbedienung einen massiven Strukturwandel im Einzelhandel hervorgerufen, erinnerte Hanna Bomba, Geschäftsführerin bei RegioPlan in ihrem Eingangsreferat. Dies hat dazu geführt, dass Konsumenten viel stärker über die Produktauswahl entscheiden konnten, was auch zur Entstehung neuer Handelsformate führte. Zwar wurden dadurch viele Tante-Emma-Läden überflüssig, daraus resultierten jedoch auch neue Tätigkeiten und Arbeitsplätze.
Ähnlich wie damals verursacht der technologische Wandel unserer Zeit einen erneuten Strukturwandel im Handel, der sich in eine Verlagerung der Umsätze in Richtung Onlinekanal und einer punktuell sinkenden Performance auf der Fläche führt. Um die richtigen Antworten darauf zu finden und sich fit für das neue Zeitalter zu machen, setzt dies eine Veränderung „im Denken, Handeln, in den Unternehmensstrukturen und den Kontaktpunkten zu den Konsumenten“ voraus, so Bomba. Das verbindende Element dabei sind die Konsumenten oder genauer gesagt, die Frage, wie die Loyalität der Konsumenten gewonnen werden kann. Denn: Die besten Kun-den sind die loyalen Kunden. „Ein Händler erzählte uns, dass 40% seiner Kunden ein Mal im Jahr ins Geschäft kommen. Wenn er diese Kunden dazu bringen könnte, ein zweites Mal im Jahr zu kaufen, könnte er seinen Umsatz um 20% steigern“, erzählte die Handelsberaterin. Wie gewinnt man aber die Loyalität der Menschen im Einzelhandel?
Einerseits sind es intelligente Omnichannel-Strategien, die die Bindung der Käufer zu einer Marke stärken und den Umsatz pro Konsument steigern können. Andererseits sind es die menschlichen Interaktionen zwischen Verkäufern und Käufern und zwischen Führungspersonen und Mitarbeitern im Einzelhandel, die die Loyalität der Kunden zur Marke stärken können. Die wichtigste Voraussetzung dabei ist die Wertschätzung. Es kommt nämlich vor, dass wertschätzende Unterneh-men nicht wertschätzende Mitarbeiter haben, es kommt vor, dass nicht wertschätzende Unternehmen wertschätzende Mitarbeiter haben. „Am besten und am kräftigsten ist es, wenn beides passt“, so Bomba.
Menschen und Magic Moments
Über Menschen, die zu Fans werden und jene „Magic Moments“ hervorrufen, die wiederum zu guten Umsätzen führen, sprach Christoph Bründl, Geschäftsführer der Sport Bründl Gesellschaft. Das Familienunternehmen betreibt 21 Intersport-Geschäfte, in der die Liebe zum Sport in zwei wich-tigen Facetten erlebt werden kann: durch die Menschen, die hier arbeiten und eine authentische Leidenschaft für den Sport haben sowie über die architektonisch hochwertigen und emotional stark aufgeladenen Shopkonzepte, in der dennoch genug Raum für Entspannung und Entschleunigung bleibt.Nicht der Preis, sondern die Mitarbeiter und die Shop-Aura sind für Bründl die zwei wichtigsten Argumente, die er gegenüber der Konkurrenz – ob im stationären oder im Internetbereich – hat. Beide müssen inspirierend sein und berühren und jene Stimmung erzeugen, die Menschen dazu bewegt, hier und nicht woanders einzukaufen. „Wir haben ein Marketing-Budget für Magic Moments“, bringt der sympathische Tiroler sein Credo auf den Punkt.
Dass Menschen gerne mit Menschen auch beim Kaufen interagieren, bestätigte auch Oliver Sardena von Wein & Co. Zwar spielt der Onlinehandel eine immer wichtigere Rolle auch für Wein & Co. So erreichen die Onlineumsätze des Weinspezialisten bereits das Dreifache des Umsatzes ihrer Wiener Naschmarkt-Filiale. Dennoch kommen Menschen nach wie vor gerne in eine Wein & Co.-Filiale, berichtet Sardena, denn sie lassen sich gerne persönlich beraten und inspirieren, verkosten neue Weine und kommen mit Menschen ins Gespräch.
Die Menschen und ihre Liebe sind auch für Silvio Kirchmair, Vorstand der Umdasch Shopfitting Group entscheidende Argumente, die für den stationären Einzelhandel sprechen. Darüber hin-aus sind es die Vorauswahl an Produkten, das Erlebnis, das Fühlen, das Berühren und das Riechen von Produkten sowie die Entschleunigung, die uns Menschen dazu bewegen werden, auch in Zu-kunft in ein stationäres Geschäft zu gehen. Dies kann auch durch Zusatzfunktionen wie beispielswe-se eine hochwertige Gastronomie, durch Beratungen, durch Trainings, etc. verstärkt werden. Erst dadurch werden Geschäfte zu jenen „Dritten Orten“, die uns immer wieder begeistern und verführen. Und last but not least: mehr Verbindung zwischen Off- und Online.
Mehr Offenheit gegenüber Online
Neben Kirchmair plädierte auch Matthias Zacek, Industry Manager Retail bei Google Austria dafür, die Potenziale des Internets und des Onlinehandels stärker auch im stationären Einzelhandel zu nützen. Denn eines steht fest: Das Cross-Channel-Verhalten der Konsumenten ist sehr stark und wird zum Standard. So sollen beispielsweise 65% der Shopping-Aktivitäten im Beauty-Bereich über ein Smartphone beginnen und 41% der Beauty-Kunden, die in einer Filiale eingekauft haben, sollen vorher online recherchiert haben. „Die Frage, was E-Commerce, Mobile Commerce und was statio-närer Handel ist, ist ein Silodenken“, räumt Zacek mit Vorurteilen auf. Konsumenten nützen alle Kanäle sehr stark und erwarten sich auch, dass ihre Lieblingsmarken überall präsent sind, wo sie sich als Konsumenten befinden. So plädiert Zacek dafür, „als Händler immer für den Kunden da zu sein und dann klappt das auch mit dem Umsatz.“
Der Retail-Experte gab im Rahmen des 10. RETAIL EXPERTENFORUMS auch eine wichtige Neuigkeit bekannt, die Google für Händler bringen wird: So wie die Bilder-Suche wird es in Kürze auch eine „Shopping“-Suchfunktion bei Google geben. Tippt man beispielsweise „rotes Kleid“ ein, durchforstet die Suchfunktion das Internet nach Bildern von Händlern, die das gewünschte Produkt anbieten. Die Ergebnisse werden in Form von Produktbildern mit entsprechenden Preisangaben angezeigt, wobei diverse Filterfunktionen möglich sind (Preis, Verkäufer, neue Artikel, etc.).
Das Tante-Emma-Prinzip
So wie Tante Emma früher die Konsumgewohnheiten ihrer Kunden durch die persönliche Interaktion mit ihnen genau kannte und ihnen dadurch nicht nur die richtigen, sondern sogar mehr Produkte verkaufen konnte, so müssen auch heutige Verkäufer mehr Wissen über ihre Kunden erlangen. Die Schwierigkeit liegt jedoch darin, dass der Weg des Konsumenten zum Produkt immer komplexer geworden ist, betonte Prof. Harald Eichsteller, von der Hochschule der Medien, Stuttgart. Erst indem man die heute in großen Mengen generierten Kundendaten intelligent miteinander verknüpft, auswertet, analysiert und sie in Form von genauen Kundenprofilen auch den Verkäufern im stationären Geschäft zur Verfügung stellt, wird das Tante-Emma-Effekt im stationären Geschäft wieder entstehen.
Über die Innovationen der Österreichischen Post im Bereich der Zustellung, Abholung und Retourenabwicklung von Waren sprach Stefan Heiglauer, Geschäftsfeldleiter Paketlogistik bei der Österreichischen Post AG. Ebenso am Podium waren Dietmar Reindl, COO Immofinanz AG, Martin Görz, Asset-Manager bei Deka Immobilien und Wolfgang Richter, Geschäftsführer bei RegioPlan Consulting. In der Podiumsdiskussion erläuterten die Experten die Auswirkungen der veränderten Strukturen im Einzelhandel auf Shopping Center. Für Dietmar Reindl und Martin Görz sind die größten Herausforderungen in ihrer Branche das Ausarbeiten neuer Mietmodelle (die alten Umsatzmieten werden durch das Cross-Channel-Verhalten der Konsumenten obsolet, weil Onlineumsätze stationär vorbereitet werden und umgekehrt) sowie neuer Nutzungskonzepte, um die Flächen im Center so zu bespielen, dass Frequenzen und Umsätze erhöht werden können.
Textauszüge und Bilder von RegioPlan Consulting, Wien 23.10.2014
RegioPlan Consulting zählt zu den führenden Beratern für Handels- und Handelsimmobilienthemen in Europa. Wir beantworten Fragen rund um das Thema Point-of-Sale. RegioPlan ist seit 30 Jahren am europäischen Markt tätig und arbeitet für international tätige Kunden aus dem Einzelhandel, der Immobilienwirtschaft, dem Dienstleistungs- und Finanzierungssektor.